Josey Sharrad
Die Koala-Krise im australischen Victoria
Die Koala-Krise im australischen Victoria
Der Koala, in Australien beheimatet, ist weltweit bekannt. Doch nicht jeder weiß, dass sich die Koalas, wie so viele andere Tierarten, in einer Notlage befinden. Die Koala-Populationen entlang der Ostküste von Queensland und New South Wales (NSW) sind vom Aussterben bedroht und gelten lokal als „stark gefährdet“. Die Populationen in Victoria und South Australia gelten zwar noch nicht als „stark gefährdet“, aber sie sind dennoch von einem schockierenden Rückgang betroffen.

Der Verlust ihres Lebensraums setzt den Populationen hart zu. In den Bundesstaaten Queensland und NSW sind Koalas immer seltener in der Wildnis zu entdecken, da ihr Lebensraum unter anderem stark fragmentiert ist, was zu einem Rückgang ihrer Populationen führt.
Im Süden Australiens muss man die Situation etwas genauer betrachten. Vor allem im Südwesten des australischen Bundesstaates Victoria sind Koalas leichter zu entdecken. Aber viele von ihnen sind ausgehungert und abgemagert. Tausende andere leben auf privaten Landflächen mit Eukalyptus-Plantagen, wo sie alles andere als sicher sind.
Jüngste Schlagzeilen richteten den Blick auf Hunderte von Koalas, die nach einem Brand im Budj Bim Nationalpark, einem Weltkulturerbe, durch Abschüsse aus der Luft getötet wurden.
Dies ist jedoch nur die letzte Spitze einer größeren, langjährigen Krise.
Wie konnte es so weit kommen?
Koalas wurden in den 1900er Jahren wegen ihres warmen, wasserabweisenden Fells fast bis zur Ausrottung gejagt. Millionen von Fellen wurden in die USA, nach Großbritannien und Kanada verschifft, um Hüte und Handschuhe aus Koalafell herzustellen. Erst als die USA 1927 endlich den Import von Koalafellen verbot, wurde dieser grausame und nicht nachhaltige Handel gestoppt.
Diese dunkle Periode in der Geschichte dieser ikonischen Tierart hinterließ ein tragisches Erbe, das den Koala-Schutz im letzten Jahrhundert geprägt hat.
Von einer Bedrohung zur nächsten
In den australischen Bundesstaaten Queensland und New South Wales haben sich die Koala-Populationen nie vollständig erholt – unter anderem aufgrund des Verlusts und der Fragmentierung ihres Lebensraums. Die Art wurde 2012 von der australischen Regierung lokal als „gefährdet“ eingestuft und 2022 auf „stark gefährdet“ hochgestuft.
In Victoria (Bundesstaat im Südosten Australiens) verlief die Entwicklung anders. Als sich die Populationen nach den Massenmorden langsam erholten, stand den Koalas eine neue Bedrohung gegenüber: die großflächige Rodung von Landstrichen für die Landwirtschaft. Einheimische Eukalyptusbäume wurden gefällt, um Platz für riesige Flächen Farmland zu schaffen. Dies zwang die Koalas, in hoher Dichte in schwindenden Flächen und Nationalparks zu leben, wo Nahrungsknappheit und harter Wettbewerb die übrig gebliebenen Ressourcen strapazierten.
Da Koalas in einigen Gebieten in großer Zahl auftraten, entstand der Eindruck einer „Überpopulation”, was an einigen Orten zu einer Reihe von Managementmaßnahmen führte, darunter Umsiedlungen, Keulungen und Versuche zur Geburtenkontrolle. Diese Maßnahmen ignorierten jedoch das eigentliche Problem – den Mangel an Futterbäumen und die fehlende Vernetzung der Lebensräume.
Eucalyptus globulus – eine fatale Wahl
In den 1990er Jahren veränderte sich die Landschaft erneut. Die Erträge in der Landwirtschaft waren gering, und es gab die Aussicht auf eine lukrativere Industrie: „Blue Gum Plantations“. Der fruchtbare Boden und der hohe Grundwasserspiegel im Südwesten Victorias boten perfekte Wachstumsbedingungen für Bäume der Art Eucalyptus globulus. Diese Bäume wachsen bekanntermaßen sehr schnell, sind daher sehr profitabel und liefern große Mengen an Holzschnitzeln und Zellstoff, die für die Herstellung von Papierprodukten nach Übersee verschifft werden. In der Region gibt es mittlerweile Tausende Hektar Eukalyptusplantagen.
Jedes Jahr werden etwa zwei Millionen Tonnen Holzschnitzel an Zellstoff- und Papierhersteller in China und Japan verschifft. Diese Papierprodukte werden dann international, unter anderem in die USA und nach Australien, an ahnungslose Verbraucher verkauft. Die meisten Käuferinnen und Käufer wissen nichts von diesem schändlichen Geheimnis, das die Papierproduktion befleckt.
Niemand konnte vorhersehen, dass Koalas in so großer Zahl in diese Plantagen einziehen würden.
Als ihr natürlicher Lebensraum verschwand, gerieten die Koalas vereinfacht gesagt in eine „Wohnungskrise“. Als die Eukalyptus-Setzlinge zu hohen, schlanken Bäumen heranwuchsen, boten sie Tausenden von Koalas, die Zuflucht suchten, einen attraktiven Lebensraum.
Eine Zeit lang schien dies für Koalas eine Traumwelt zu sein. Doch diese Idylle wurde bald zerstört, als Erntemaschinen die Bäume fällten, die ihnen ein neues Zuhause geboten hatten. Koalas sind mit bloßem Auge nur schwer zu erkennen. Sie sind kleine, graue Fellknäuel von der Größe eines Fußballs, die sich perfekt an die silberne Farbe der Eukalyptusbäume anpassen. Dies führte unweigerlich dazu, dass Koalas verletzt und getötet wurden.

Der Kampf um das Leben der Koalas
Da sich diese Tragödie auf privatem Land ereignete, blieb sie der Außenwelt eine Zeit lang verborgen. Doch die Wildtierpflegerin Tracey Wilson von der Organisation Mosswood Wildlife sah immer mehr Tiere mit schrecklichen Verletzungen, darunter gebrochene Gliedmaßen, Schlagwunden, abgetrennte Arme und tote Koalamütter mit noch lebendem Nachwuchs in ihren Beuteln.
Sie appellierte an die Regierung und die Plantagenindustrie, jedoch ohne Erfolg. 2012 erzählte sie auf einer nationalen Koala-Konferenz vor einem schockierten Publikum anderer Wildtierexperten und Forschenden ihre Geschichte. Seitdem unterstützt IFAW Tracey bei ihrer Mission, diese Missstände aufzudecken und zu bekämpfen.
Die Geschichte machte im Juli 2013 landesweit und weltweit Schlagzeilen, nachdem besorgte und mitfühlende Menschen, die auf den Plantagen arbeiteten, mit erschütternden Aufnahmen von getöteten und verletzten Koalas an die Öffentlichkeit gingen und damit für Aufruhr in der Branche sorgten.
Im Jahr 2014 war der IFAW an der Ausarbeitung eines Verhaltenskodexes für den Umgang mit Koalas in Forstplantagen beteiligt. Ein Jahr später wurde eine Reihe von Richtlinien von der Plantagenindustrie verabschiedet. Diese Maßnahmen waren jedoch nicht verbindlich.
Im Jahr 2017 rief der IFAW weltweit dazu auf, Druck auf die Regierung des australischen Bundesstaates Victoria auszuüben, um Koalas in Eukalyptusplantagen zu schützen. Über 60.000 E-Mails wurden ans Umweltministerium geschickt – was schließlich zu Fortschritten führte.
Die Regierung führte Vorschriften ein, darunter die Verpflichtung für Personal, dass nach Koalas Ausschau hält, um die Tiere vor der Ernte vor Ort zu erkennen. Dies ist jedoch keine narrensichere Methode, da Koalas selbst für geschulte Fachleute bekanntermaßen schwer zu entdecken sind.
Außerdem wird nur die Hälfte des Problems gelöst, da die Unternehmen nicht verpflichtet werden, Lebensraum für Koalas zu erhalten oder bereitzustellen, wenn ihre Bäume gefällt werden. Infolgedessen flüchten Koalas auf der Suche nach Zuflucht in benachbarte Nationalparks wie Budj Bim. Dies führt zu einer Vielzahl von Problemen – nicht nachhaltige Populationsdichten, unzureichende Nahrungsquellen und Überweidung der Vegetation, was die Brandgefahr erhöht.
Dieses Problem liegt nicht allein in der Verantwortung der Plantagen-Industrie. Aber sie muss einen Teil der Verantwortung übernehmen. Sie hat die moralische Verpflichtung, den von ihr verursachten Schaden auszugleichen, indem sie einen Teil ihrer lukrativen Gewinne in die Schaffung dauerhafter Lebensräume und Korridore investiert, damit diese Koalas leben und sich frei bewegen können.

Es ist auch Aufgabe der Regierung, strengere Tierschutz- und Naturschutzvorschriften zu erlassen und deren Einhaltung sicherzustellen.
Bis dahin bleibt es leider Freiwilligen, wie unserem Partner Mosswood Wildlife, überlassen, sich um die Folgen zu kümmern.
Wir müssen uns für die Koalas einsetzen
Da diese ikonischen Tiere in New South Wales und Queensland vor unseren Augen verschwinden, könnten die Koalas in Victoria eine wichtige Schlüsselrolle zum Überleben der Art sein.
Die Regierung von Victoria hat mit dem Verbot der Abholzung heimischer Wälder im letzten Jahr das Richtige getan, aber die Reformen müssen noch viel weiter gehen. Wir brauchen einen neuen, umfassenden und radikalen Ansatz für die Landschaftsgestaltung. Große Landflächen müssen erhalten und geschützt werden, Bäume müssen neu gepflanzt und Wildkorridore angelegt werden, damit sich diese Koalas frei in der Landschaft bewegen können.
Deshalb rufen wir Sie erneut zum Handeln auf – wir brauchen eine dringende parlamentarische Untersuchung der anhaltenden Krise, in der sich die Koalas im Südwesten des australischen Bundesstaates Victoria befinden. Unsere australischen Kollegen bitten um Mithilfe und eine Signalwirkung aus aller Welt: Bitte unterzeichnen Sie die Petition und teilen Sie sie mit anderen.
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