Können Tiere Erdbeben und andere Katastrophen vorhersagen?
Können Tiere Erdbeben und andere Katastrophen vorhersagen?
22 Dezember 2023
Es ist ein weit verbreiteter Glaube, dass Tiere Erdbeben und andere Katastrophen vorhersagen können. Aber gibt es dafür auch Beweise? Und, wie wirken sich Katastrophen wie Erdbeben, Tsunamis, Waldbrände und Stürme tatsächlich auf die Tierwelt aus?
Können Tiere Erdbeben vorhersagen?
Die Wissenschaft konnte bisher nicht eindeutig dokumentieren, dass Tiere bereits Tage vor einem Erdbeben das betroffene Gebiet verlassen oder sich seltsam verhalten. Es gibt zwar anekdotische Evidenzen – die bis ins Jahr 373 v. Chr. zurückreichen, aber diese reichen nicht aus, um zu beweisen, dass Tiere tatsächlich diese Fähigkeit besitzen.
Doch einige Tiere können dank ihrer scharfen Sinne die Erschütterungen eines Erdbebens einige Sekunden vor dessen Eintreten wahrnehmen, aber nicht Tage vorher. Tritt ein Erdbeben auf, werden zwei Arten von Energiewellen erzeugt. Die kleinere P-Welle (oder Primärwelle) eines Erdbebens kommt kurz vor der größeren S-Welle (oder Sekundärwelle) an. Die P-Welle bewegt sich schneller als die S-Welle, da sie sich durch feste, flüssige und gasförmige Stoffe bewegen kann. Die S-Welle hingegen durchdringt feste Stoffe. Im Gegensatz zu vielen Tieren, können nur sehr wenige Menschen die Vibration der P-Welle wahrnehmen. Es ist nicht genau bekannt, wie Tiere P-Wellen wahrnehmen können, doch es könnte über ihren Geruchs-, Tast- oder Hörsinn geschehen.
Können Tiere Tsunamis vorhersagen?
Da Tsunamis durch Erdbeben, Erdrutsche oder andere große Störungen im Meer entstehen, könnten die dadurch verursachten Erschütterungen von einigen Tieren wahrgenommen werden, obwohl sie für den Menschen unbemerkt bleiben.
Die meisten Belege für diese Annahme stammen jedoch aus Augenzeugenberichten, z. B. als Einheimische sahen, wie Elefanten und Flamingos vor dem Tsunami 2004, der durch ein Erdbeben der Stärke 9,1 im Indischen Ozean ausgelöst wurde, in höher gelegene Gebiete flohen. Andere berichteten, dass sich domestizierte Tiere seltsam verhielten.
Können Tiere Waldbrände vorhersagen?
Einige Wildtiere können dank ihres ausgeprägten Geruchssinns und ihrer Umweltwahrnehmung erkennen, wann ein Feuer ausbricht – doch sie besitzen nicht die Fähigkeit, im Voraus zu wissen, wann und wo Brände entstehen. Neben den Auswirkungen der globalen Erwärmung und der Klimakrise nehmen Häufigkeit und Intensität von Bränden dramatisch zu, so dass es für Tiere immer schwieriger wird, solche Ereignisse zu überleben.
Können Tiere Stürme vorhersagen?
Obwohl wir Technologien zur Vorhersage und Überwachung von Stürmen entwickelt haben, deutet eine aktuelle Studie darauf hin, dass Vögel die Fähigkeit besitzen könnten, Hurrikane und Wirbelstürme viel früher vorherzusagen als Menschen. In der Studie wurde festgestellt, dass das Brutverhalten einer Drosselart über zwei Jahrzehnte hinweg die Intensität der atlantischen Hurrikansaison genau vorhersagen konnte.
Diese Vögel, die als Weidenmusendrossel bekannt sind, schienen tropische Stürme schon Monate vor ihrer Entstehung zu spüren. In manchen Jahren beendeten die Vögel ihre Brutsaison vorzeitig, um sich früher auf den Zug vorzubereiten als in anderen Jahren. Die Analyse ergab eine Korrelation zwischen diesem Verhalten und der Schwere der folgenden Hurrikansaison. Forschende stellten die Theorie auf, dass der frühere Beginn des Vogelzugs den Vögeln zusätzliche Zeit verschafft, um Stürme abwarten zu können, bevor sie das offene Wasser überqueren.
Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um festzustellen, ob einige Vögel tatsächlich die Fähigkeit besitzen, Hurrikane und tropische Stürme vorherzusehen. Da die Klimakrise die Intensität und Unvorhersehbarkeit dieser Extremwetterereignisse verschärft, könnten sie das Überleben vieler Arten bedrohen.
Kann der Mensch Katastrophen vorhersagen?
Wir können zwar nicht alle Katastrophen vorhersagen, doch glücklicherweise ist es uns dank fortschrittlicher Technologien möglich, schwere Wetterereignisse wie Hurrikane und Tropenstürme zu verfolgen. Dadurch haben wir oft genug Zeit, uns vorzubereiten und Evakuierungsmaßnahmen zu ergreifen – Tiere werden diesbezüglich allerdings noch immer oft vergessen. Darüber hinaus rufen diese Stürme oft unerwartete Auswirkungen hervor – so wie Sturmtief Daniel, der in Libyen einen Damm brach und die Stadt Derna überflutete. Katastrophen wie diese können Tausende von Menschen aus ihren Häusern vertreiben, sie von ihren Haustieren trennen und auch Wildtiere verletzen oder stranden lassen, die keine Menschen haben, auf die sie sich verlassen können.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns so früh wie möglich auf Katastrophen vorbereiten.
Das Katastrophenschutzprojekt des IFAW auf Bali nutzt die ungewöhnlichen Bewegungen von Wildtieren als Teil des Frühwarnsystems zur Vorhersage von Ausbrüchen des nahe gelegenen Vulkans Agung. Die Wissenschaft ist sich zwar nicht im Klaren darüber, was bestimmte Tiere zur Flucht veranlasst, aber diese ungewöhnlichen Bewegungen wurden traditionell von den Dorfältesten gemeldet und sind weiterhin Teil der Katastrophenvorsorge dieser Gemeinde.
Wie kann man Tieren helfen, die von Katastrophen betroffen sind?
In den meisten Fällen können Tiere Katastrophen nicht vorhersehen. Da Katastrophen jederzeit eintreten können, ist es wichtig, dass wir uns – und die Tiere – auf Erdbeben, Tsunamis, Brände und andere Extremwetterereignisse vorbereiten.
Die Reaktion auf Katastrophen ist ein wichtiger Teil der Arbeit des IFAW – ebenso wie die Unterstützung der Menschen bei der Vorbereitung ihrer geliebten Haustiere auf solche Katastrophen. Mehr dazu auf unserer #DisasterReady-Seite und in den von uns zusammengestellten Ressourcen zur Katastrophenvorsorge.
Der IFAW hilft Tieren, die von Erdbeben und anderen Katastrophen betroffen sind. Zum Beispiel unterstützen wir lokale Organisationen mit Hilfsgütern oder entsenden Expertenteams. Nach dem Erdbeben der Stärke 7,8 in der Türkei und Nordsyrien leistete der IFAW Soforthilfe für lokale Organisationen, die Tiere aus den Trümmern retteten. Auch in Marokko leistete der IFAW nach einem Erdbeben der Stärke 6,8 Soforthilfe.
Im Jahr 2022 reagierte der IFAW auf einen Tsunami, der durch einen Vulkanausbruch in Tonga ausgelöst worden war, und unterstützte die neuseeländische Organisation South Pacific Animal Welfare (SPAW). Trotz der Schwierigkeiten beim Transport von Hilfsgütern zwischen den Inseln konnte SPAW Tierarzneimittel für drei Monate im ganzen Land verteilen und so rund 4.000 Tieren helfen.
Nach den verheerenden Flächenbränden in Griechenland brauchten unzählige Tiere, darunter viele Vögel, Schildkröten und Fledermäuse, dringend tierärztliche Hilfe. Während und nach den Bränden unterstützte der IFAW ANIMA, die die wichtigste Erste-Hilfe-Station für Wildtiere in Griechenland betreibt, und entsandte ein Expertenteam, das bei der Rehabilitation und Freilassung von fast 150 Schildkröten half. Nach den Bränden auf Maui unterstützte der IFAW die Maui Humane Society und entsandte ein Rettungsteam, um Tiere zu retten und sie wieder mit ihren Familien zu vereinen. In Australien ist der IFAW seit vielen Jahren vertreten und hilft den Wildtieren vor Ort, die von den häufigen Buschbränden betroffen sind.
Als in Italien Tausende Menschen und Tiere durch Überschwemmungen aus ihren Häusern vertrieben wurden, unterstützte der IFAW lokale Partner bei der Beschaffung von Tierarzneimitteln und Tierfutter, wodurch mehr als 1.100 Tieren geholfen werden konnte.
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