Mein Kollege Dr. Joseph Okori kam in diesem Jahr zum IFAW und übernahm die Leitung des Programmbereichs Naturschutz und des IFAW Büros für die Region Südliches Afrika. Er leitet die Arbeit des IFAW zum Schutz von Elefanten, Nashörnern, Löwen und anderen afrikanischen Wildtieren. Wichtigste Aufgaben sind dabei der Erhalt wichtiger Lebensräume, der Abbau von Mensch-Wildtier-Konflikten sowie ökologisch nachhaltige Projekte zur Gemeindeentwicklung.
Bevor er zum IFAW kam, leitete er ein globales Programm zum Schutz von Nashörnern und initiierte für den WWF afrikanisch-asiatische Partnerschaften zum Nashorn- und Elefantenschutz. Zum Welt-Nashorn-Tag habe ich mit ihm über die Situation der Nashörner gesprochen.
Wie kam es dazu, dass Du Dich als Tierarzt auf Nashörner spezialisiert hast?
Nashörner sind für mich absolut fantastische, majestätische Tiere. Deshalb standen sie für mich ganz oben auf der Liste, als ich beschloss, mich als Tierarzt für Wildtiere auf eine bestimmte Art zu spezialisieren. Nashörner sind in der Tierwelt einfach einzigartig. Wer wäre nicht von ihrer imposanten Größe, ihrem prähistorischen Aussehen, den markanten Hörnern und ihrer wie gepanzert wirkenden Haut fasziniert?
Am meisten Erfahrung habe ich mit afrikanischen Spitz- und Breitmaulnashörnern. Spitzmaulnashörner können bis zu 1.300 Kilo schwer werden und haben eine Schulterhöhe von bis zu einem Meter achtzig. Breitmaulnashörner sind mit einem Meter fünfzig bis einem Meter achtzig Schulterhöhe und einem Gewicht von fast 3.600 Kilo deutlich größer. Die englischen Bezeichnungen „black rhino“ und „white rhino“ („schwarzes“ bzw. „weißes“ Nashorn) sind übrigens irreführend, denn die Tiere sind grau. „White“ kommt vom niederländischen Wort „weit“, was „breit“ bedeutet und sich auf das breite, stumpfe Maul bezieht, das an das Fressen von kurzem Gras angepasst ist. Auch Spitzmaulnashörner sind grau, verfügen aber über einen Greiffortsatz an der Oberlippe, der sich perfekt für das Fressen von Zweigen, Sträuchern und Büschen eignet.
Bei allen Nashornarten sind die Weibchen in der Regel sanfte, liebevolle Mütter. Männliche Nashörner haben ein ausgeprägtes Territorialverhalten und können mit Aggression reagieren, wenn sie eine Gefahr wahrnehmen. Verglichen mit Büffeln und Nilpferden ist das Verhalten von Nashörnern aber deutlich berechenbarer. Die einzigen gefährlichen Raubtiere, denen Nashörner in freier Wildbahn begegnen, sind Menschen.
Die Nashorn-Populationen sind stark zurückgegangen. Kann die Art sich erholen?
Ja, ich denke schon. Nashörner leben schon seit 30 bis 40 Millionen Jahren auf der Erde. Sie sind das zweitgrößte Landsäugetier. Nur Elefanten sind noch größer. Die Lage ist zwar für alle fünf Nashornarten (Breitmaulnashorn, Spitzmaulnashorn, Panzernashorn, Sumatra-Nashorn und Java-Nashorn) schwierig, aber es sind zähe, robuste Tiere. Das Java-Nashorn und das Sumatra-Nashorn werden in Asien als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. In den Schutzgebieten Afrikas erholt sich das Südliche Breitmaulnashorn, das man bereits für ausgestorben hielt, inzwischen und gilt nur noch als „potenziell gefährdet“. Das Nördliche Breitmaulnashorn (eine Unterart) gibt es in freier Wildbahn leider nicht mehr. Nur noch in einem Reservat in Kenia existieren vereinzelte Tiere in Gefangenschaft. Doch wenn wir zusammenarbeiten, können wir dafür sorgen, dass Nashörner weiterhin im Grasland, in der Savanne und in den Tropenwäldern Afrikas, Nordindiens, Südnepals, Indonesiens und Vietnams leben werden.
Hat die Zukunft des Nashornschutzes Auswirkungen auf das Überleben von uns Menschen?
Ja, auf jeden Fall. Ganz egoistisch betrachtet, haben Nashörner einen wirtschaftlichen Nutzen für uns Menschen. Und sie haben Einfluss auf den generellen Zustand der Biosphäre unserer Erde.
Nashörner ziehen in großem Maße Touristen an. Davon profitieren sowohl die Menschen vor Ort als auch Naturschutzinitiativen. Nashörner sind eine sogenannte Schirmspezies. Man erkennt die einzigartigen Tiere auf den ersten Blick.
Ökologisch betrachtet, sind alle Lebewesen Teil eines komplexen, ineinandergreifenden Netzwerks, der Biosphäre der Erde. Die Biosphäre setzt sich aus zahllosen Ökosystemen zusammen, die Pflanzen und Tiere sowie deren Lebensräume umfassen. Niemand weiß genau, wie sich das Aussterben zum Beispiel einer Nashornart auf die anderen Bewohner des betroffenen Ökosystems auswirkt. Wir wissen jedoch, dass das Verschwinden einer einzigen Art eine Kettenreaktion in Gang setzen kann, die sich auf zahlreiche weitere Arten auswirkt. Verschwinden Nashörner, kann es passieren, dass sich ökologische Prozesse verändern und die Mischung der Arten. Umgekehrt gilt: Schützt man Nashörner, werden damit auch viele andere Arten geschützt – nicht nur Säugetiere, sondern auch Vögel, Reptilien, Fische, Insekten und Pflanzen.
Auch unter ethischen Aspekten und aufgrund unserer Verantwortung für das Leben auf der Erde ist aus meiner Sicht jedes einzelne Tier und jede Art für sich genommen bedeutsam.
Was können wir tun, um die Nashörner vor dem Aussterben zu bewahren?
Wilderei und Lebensraumverlust stellen die größten Gefahren dar. Ich denke, wenn wir diese beiden Faktoren in den Griff bekommen, können sich die Nashörner erholen. Leicht wird es nicht, aber mit den entsprechenden Ressourcen und dem nötigen politischen Willen ist es machbar.
Die unmittelbarste Gefahr ist die Wilderei. Professionelle Wilderer setzen auf Hubschrauber, Nachtsichtgeräte, Tranquilizer und Schalldämpfer für ihre Schusswaffen. So töten sie Nashörner in Schutzgebieten, ohne die Aufmerksamkeit der patrouillierenden Wildhüter zu erregen. Daher ist es wichtig, Patrouillen häufiger durchzuführen und effizienter zu machen. Auch müssen strengere Strafen gegen Wilderer verhängt werden. Und wenn es keine Nachfrage mehr nach dem Horn der Tiere gäbe, würde auch die Wilderei aufhören. Der IFAW und andere Hilfsorganisationen versuchen deshalb, die Kette des illegalen Wildtierhandels an all ihren Gliedern zu zerschlagen.
Ein Stopp der Ausweitung menschlicher Siedlungen auf die Lebensräume von Nashörnern, das Einrichten und Erweitern geschützter Gebiete sowie das Umsiedeln von Nashörnern in sicherere Lebensräume, wie der IFAW es im indischen Manas-Nationalpark tut, sind ebenfalls wichtige Beiträge zum Nashornschutz. Und schließlich: Durch die Förderung von nachhaltigem, verantwortungsvollem Tourismus können auf nationaler wie lokaler Ebene mehr Gelder für den Nashornschutz bereitgestellt werden.
Das Überleben der Nashörner hängt davon ab, was wir Menschen für ihren Schutz tun - heute und in Zukunft.
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