Gesa Neitzel
Die deutsche Autorin Gesa Neitzel spricht über die afrikanische Wildnis, Tierschutz und Ökotourismus
Die deutsche Autorin Gesa Neitzel spricht über die afrikanische Wildnis, Tierschutz und Ökotourismus
Wir freuen uns, die deutsche Autorin und Safari-Guide Gesa Neitzel als die neueste IFAW-Botschafterin begrüßen zu dürfen. Unsere Botschafterinnen und Botschafter treten für die Ziele des IFAW ein und nutzen ihre Reichweite, um die öffentliche Aufmerksamkeit für unsere Arbeit zu steigern und unsere Vision zu verbreiten. Gesa teilt die Überzeugung des IFAW, dass Tiere und Menschen nur gemeinsam wachsen können – nicht die Einen auf Kosten der Anderen – und dass jedes einzelne Tier bei der Verwirklichung dieser Vision zählt. Wir haben mit Gesa u.a. über ihre Naturschutzinitiativen in Afrika gesprochen.
Du hast das vom IFAW-geförderte GRI (Game Rangers International) – Elefantenwaisenhaus in Sambia besucht. Was hast du dort erlebt und ist dir irgendetwas Besonderes aufgefallen?
Ich wollte schon seit langem das Elefantenwaisenhaus in Lusaka besuchen, da Sambia mir sehr am Herzen liegt und ich mehr über die missliche Lage der Elefantenpopulationen in sambischen Nationalparks lernen wollte.
Zwei Dinge sind mir besonders aufgefallen:
- In diesem Elefantenwaisenhaus ist der menschliche Kontakt mit den verwaisten Tieren unerwünscht oder sogar verboten. Nur ein paar Pflegekräfte halten sich rund um die Uhr in der Nähe der Elefanten auf, um sie zu betreuen. Wenn man hier in der Hoffnung herkommt ein close-up Selfie mit einem Elefantenbaby machen zu können, dann ist man hier am falschen Ort.
- Game Rangers International arbeitet eng mit den örtlichen Gemeinden zusammen, die in Dörfern an der Grenze zu Nationalparks leben, wo Elefanten umherwandern. Diese Menschen müssen mit diesen (nicht immer so sanftmütigen) Riesen vor ihrer Haustür zusammenleben. Daher ist es äußerst wichtig, dass diese Menschen von der Anwesenheit von Elefanten und anderen Wildtieren profitieren.
Wie kam es dazu, dass du dich für den Tierschutz interessierst?
2015 habe ich ein Jahr in verschiedenen Ländern des südlichen Afrikas verbracht, um mich als Safari Guide ausbilden zu lassen. Diese Ausbildung entfachte mein Interesse am Tierschutz. Heutzutage schreibe ich Bücher für meine loyale deutsche Leserschaft über die afrikanische Wildnis, Tierschutz und Ökotourismus. Mit diesem Privileg kam der Wunsch auf, den Tierschutz in meine Arbeit einzubinden und das Bewusstsein für Projekte zu erhöhen, die darauf abzielen, Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren zu entschärfen.
Ausgehend von deinen ausgiebigen Reisen in Afrika, was meinst du ist das dringendste Tierschutz-Problem in Afrika?
Es ist schwer, nur ein einziges Problem zu nennen, da alle miteinander verschmelzen. Der Korruption muss ein Ende bereitet werden. Afrikanische Gemeinden müssen dringend aus der Armut befreit werden, allerdings nicht auf Kosten von natürlichen Ökosystemen oder Wildtieren. Das ist die schwierige Gratwanderung. Örtliche Gemeinden müssen zwingend in großem Stil von der Anwesenheit von Löwen, Elefanten und Leoparden profitieren – verhältnismäßig viel mehr als sie von diesen bedroht werden, ansonsten gibt es keine Anreize, die letzten Vertreter der Megafauna unserer Erde zu schützen. Ich befürchte, dass die COVID-19 Pandemie die jüngsten Bemühungen von Ökotourismus-Veranstaltern in ganz Afrika sehr erschüttert hat. Da Touristen ferngeblieben sind, blieb sowohl das dringend benötigte Geld aus, um Nationalparks zu betreiben, als auch Ranger:innen und Safari-Personal einzustellen. Dies hatte viel häufigere Wilderei-Vorfälle zur Folge. Spenden werden jetzt mehr denn je benötigt, um die afrikanische Wildnis über Wasser zu halten, stark gefährdete Arten zu schützen und die Lebensgrundlage der afrikanischen Bevölkerung zu sichern.
Wie können Menschen heutzutage einen Beitrag zu Naturschutzbemühungen in Afrika leisten?
Meiner Meinung nach gibt es drei großartige Wege, wie Menschen helfen können.
- Unterstützt NGOs wie den IFAW mit langfristigen Spenden. Ich sage „langfristig“, da ich im Gespräch mit den Menschen vor Ort gelernt habe, dass es für jede Organisation unglaublich wichtig ist, weit im Voraus planen zu können. Viele Menschen spenden Geld spontan, unvermittelt und in unregelmäßigen Abständen. Das ist an sich schon super, aber es ist sehr, sehr wichtig für NGOs, langfristig planen zu können und dafür müssen sie wissen, wie viel Geld regelmäßig hereinkommt. Wenn wir alle einen bestimmten monatlichen Betrag zur Seite legen, ermöglichen wir Organisationen vorausschauendes Planen und tragen ein kleines Bisschen zur Verbesserung unserer Welt bei.
- Geht auf Safari. Ich bin mir bewusst, dass „flight-shaming“ in letzter Zeit aufgrund der Klimakrise zugenommen hat. Und auch wenn ich nicht für ein sinnloses Jet-Setting um den Globus plädiere, glaube ich schon, dass es immer noch Raum für einen vernünftigen Ökotourismus gibt, vielleicht jetzt mehr denn je. Elefanten in freier Wildbahn zu begegnen hat mein Leben zu einem bestimmten Grad verändert. Mir würden sie nicht so sehr am Herzen liegen, wenn ich sie nicht in ihrem natürlichen Lebensraum gesehen hätte. Die Ausgaben von Touristen finanzieren die Nationalparks und schaffen Arbeitsplätze für die Mitglieder der örtlichen Gemeinden… Und Elefanten haben die freche Angewohnheit, jeden Safari-Teilnehmer in einen lebenslangen Botschafter für die Wildnis zu verwandeln 😉.
- Teilt das, was euch wichtig ist, auf den sozialen Medien. Ganz egal wie wenig Follower ihr meint zu haben – ihr wisst nie, wen ihr mit euren Posts erreicht. Viele Menschen beschweren sich oft über Instagram und Co. Aber wenn wir sie effektiv nutzen, dann sind diese Plattformen unsere beste Chance, wichtige Botschaften schnell zu verbreiten. Es ist ein schönes Gefühl, involviert zu sein und sich für Dinge einzusetzen, die einen Unterschied machen.
Welche Veränderungen in Bezug auf afrikanische Wildtiere hast du selbst im Laufe deiner Zeit in Afrika wahrgenommen?
Umso schlimmer die Wilderei und die Trophäenjagd in einem Gebiet über die Jahrzehnte war, umso kleiner sind die Stoßzähne der dort lebenden Elefanten. Mancherorts haben die Elefanten ganzer Herden keine Stoßzähne mehr. Das liegt daran, dass die sogenannten „Big-Tusker“ von Wilderern heiß begehrt sind. Umso länger der Stoßzahn, umso mehr Geld kann wegen der größeren Menge an Elfenbein verdient werden. Deshalb haben nur Elefantengene mit kleineren oder überhaupt keinen Stoßzähnen überlebt, da sie einfach nicht in gleichem Maße in das Visier der Wilderer geraten sind. Es macht mich immer traurig, Elefantenverhalten in stark gewilderten Gebieten zu beobachten. Sie haben Angst vor Menschen, sie sind verstört und, was noch schlimmer ist, ihnen fehlen grundlegende Überlebenskenntnisse, da die älteren Generationen ihr Wissen nie an sie weitergeben konnten.
Sichtungen von Nashörnern sind immer seltener geworden. Der Krüger-Nationalpark war früher eine Hochburg der Breitmaulnashörner, aber aufgrund der Wilderei begegnet man ihnen immer seltener.
Positiv ist mir aufgefallen, dass örtliche Gemeinden erfolgreiche Methoden entwickelt haben, um mit Wildtieren zusammenzuleben. So halten Bienenstöcke und Chilifarmen Elefanten in Schach, da diese Dickhäuter beides verabscheuen.
Von all deinen Begegnungen mit Tieren in Afrika im Laufe der Jahre, welches Erlebnis hat dich am meisten getroffen?
In Namibia habe ich einmal ein Elefantenkalb gesehen, das in einem Zaun feststeckte. Es wurde von seiner Mutter getrennt, als Bauern die Herde von ihren Feldern verjagten. Das Kalb wurde zwar zuerst gerettet, allerdings hat es am Ende die Trennung von seiner Mutter nicht überlebt. Es war einfach noch zu klein. Das war absolut herzzerreißend.
Dennoch ist jede einzelne Begegnung mit Wildtieren, besonders zu Fuß, ein besonderes Erlebnis. Es geht nicht darum, dem Tier möglichst nahe zu kommen – ganz im Gegenteil: Ich finde es besser, wenn die Tiere nicht einmal wissen, dass ich da bin. Wildtiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten, fühlt sich für mich immer so an, als würde ich in ein Geheimnis eingeweiht werden. Es kann uns Menschen an unseren eigenen Platz in dieser Welt erinnern. Es hilft uns, zu uns selbst zu finden.
Welche Lehren konntest du bisher aus deiner Zeit in Afrika ziehen?
Das Wichtigste, was ich gelernt habe, ist das wir Menschen ein Teil der Natur sind – und nicht abseits der Natur stehen. Wir sind lebende, atmende und fühlende Wesen und jede einzelne von unseren Handlungen hat Auswirkungen in dieser Welt. Ich denke es ist heutzutage entscheidend, dass wir uns daran erinnern und zusätzlich Wege finden, mit anderen Lebewesen zusammenzuleben, die genau wie wir leben, atmen und fühlen.
Welches Tier, dem du auf deinen Reisen und Safaris in Afrika begegnet bist, magst du am meisten und warum?
Am meisten mag ich den afrikanischen Elefanten. Und das wird sich nie ändern. Elefanten sind die intelligentesten, empfindsamsten, lustigsten, liebevollsten und fürsorglichsten Lebewesen. Sie sind wie Menschen – aber noch menschlicher. Wir können viel von ihnen lernen, beispielsweise wie sie ihre Jungen aufziehen, mit ihrer Umgebung interagieren oder ihre Toten betrauern.
Wie kamst du zu der Entscheidung dein sicheres Leben in Berlin für das Unbekannte in der afrikanischen Wildnis einzutauschen?
Ich hatte schon lange meinen Job in Berlin kündigen wollen. Durch das Leben in der Hauptstadt fühlte ich mich abgekapselt von der Natur. Ich sehnte mich danach, wieder den Boden unter meinen Füßen zu spüren und vor allem einen Job zu finden, mit dem ich etwas bewegen könnte. Ich denke, dass heutzutage immer mehr Menschen diese Erkenntnis bewusst wird: Angesichts des Verlusts der Artenvielfalt, des Klimawandels und der großflächigen Waldzerstörung, die unsere Existenz bedrohen, hinterfragen wir, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Es wird noch eine Weile dauern, bevor ich wieder ganz im Einklang mit der Natur lebe, so geht es uns wahrscheinlich allen. Aber wenn es eine Sache gibt, die ich für den Rest meines Lebens tun möchte, dann ist es zu versuchen, mich so weit wie möglich neu zu verwildern und vielleicht dabei ein paar Menschen zu inspirieren, dasselbe zu tun.
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